Dienstag, 31. Januar 2006

Das Kreuz und andere kurze Geschichtchen

Das Kreuz oder: Der Gipfelsturm

Sitzen wir gestern nach dem Training bei mir. Relativ beald bleiben nur noch Sascha und ich uebrig. Sitzen halt rum, unterhalten uns und werden mueder und mueder. Irgendwann verfallen wir in gedankenvolles Schweigen. Nach langer Zeit stelle ich fest, dass mir total langweilig ist.

- „Sascha, mir ist langweilig.“
- Er taucht aus seinen Gedanken auf und guckt mich irritiert, aber aufmerksam an.
- „Mir ist langweilig. Mach was!“
- „Was?“
- „Was weisz ich. Denk dir was aus. Mir ist langweilig.“
- Er steht auf und geht im Zimmer umher, sagt nach einiger Zeit: „Ich hab da ne Idee, aber die ist n bisschen dumm.“
- „Egal. Sag!“
- „Wir nehmen diese halbe Flasche Wodka, fuellen sie mit Saft auf und gehen zum Kreuz.“
- (Anmerkun: Das Kreuz ist ein Gipfelkreuz, es steht auf dem hoechsten Huegel der Stadt.)
- „Okay, gehen wir!“
- „WAS?“
- „Gehen wir!“ Ich bin schon auf dem Weg ins Schlafzimmer, um Jogging- gegen Strumpf- und normale Hose auszutauschen.
- „Das ist doch nicht dein Ernst! Es ist halb zwei nachts!“
- „DU hast das doch vorgeschlagen. Jetzt gehen wir!“

Wir haben Wodka, Saft und zwei kleine Glaeser in eine Plastiktuete gepackt und uns auf den Weg gemacht. Es war, kalt, glatt und steil. Je hoeher wir kamen, desto schoener wurde natuerlich der Blick, aber dest staerker und kaelter wurde auch der Wind. Natuerlich haben wir uns erstmal ne Runde fast verlaufen, genauer, haben einen dicken Umweg genommen, weil Sascha in der Dunkelheit eine Abkuerzung nicht gefunden hat. Aber letztendlich sind wir am Gipfelkreuz angekommen, und der Blick hat die ganzen Muehen entschaedigt. Die dunkle Bucht umrahmt von leuchtenden Haeusern, die frische Luft, der Wind, der Schnee… Leider war der Wind so kalt, dass wir nur ein paar Minuten stehengeblieben sind und geguckt haben, wo was ist. Er hat selbst durch meinen russischen Mantel gezogen! Wir waren genoetigt, Wodka, Saft und Glaeschen unangetastet wieder mit runter zu nehmen. Insgesamt waren wir etwa eine Stunde unterwegs.


Der Bus

Ich war zu Gast bei Denis. Wir haben uns festgequatscht, und ploetzlich war es elf. Scheisze, fahren keine Busse mehr. Denis hat gesagt, er begleitet mich zur Bushaltestelle, um mir da ein Auto anzuhalten, das mich nach Hause faehrt. (Wenn ich das selbst mache, wird das deutlich teurer wegen des Auslaenderfaktors, auszerdem nachts und Frau allein, Verpflichtung, anzurufen, sobald ich zu Hause bin etc pp) Wir stehen also, und nach einigen Minuten faengt ein Auto an, anzuhalten, doch hinter ihm – man glaubt es nicht – kommt noch ein Bus!!! Um halb zwoelf! In Russland ist alles moeglich.



Mein Freund Murphy gewinnt nicht immer

Die folgende Geschichte hat sich vor zehn Tagen begeben. Ich hab sie aus einer Mail in diesen Text kopiert.
haette meine erledigungen in dtld in 1h gemacht, hier war ich 3 1/2 unterwegs. geh um 20 nch 2 in die internationale abteilung (ab 2 geoeffnet) und frag nach natascha. nee, die kommtt erst so in ner stunde. (die info selbstverstaendlich erst auf nachfrage.) aber sie bleibt bis fuenf, ja? (nicht selbstverstaenlich, ueberhaupt nicht.) NATUERLICH! ich denk mir, fragst mal nach den kursen fuers naechste semester. geh ikn den entsprechenden raum, ne, julia alexandrowna ist nicht da und kommt heut auch nicht wieder. ab montag haengt vor der tuer ein plan mit den sprechstunden fuer die naechste woche. (wieso erst ab montag, fragt sich da die deutsche in mir.)
nun gut, is ja noch nich so dringend, ich geh also ins zentrum, wunder mich ein bisschen ueber die seltsame atmosphaere und darueber, dass daa sehr viele autobusse an der haltestelle stehen, schieb alle gedanken beiseite und steig in einen der vorderen busse ein, um vier oder fuenf stationen zu aeroflot zu fahren. alle busse sind schon knallevoll, und wahrend ich stehe, wird meiner noch voller. ein ehepaar in meier naehe ueberlegt, ob es nicht lieber zu fusz gehen soll, der autobus faehrt und fahert naem,lich nicht los, ueberhaupt ist kein einziges auto auf einer der habuptstraszen vladiks. ich halte ein, zwei stationen zu fusz gehen fuer eine bessre idee, als mich in den bus zu quetschen, schieb mich irgendwie wieder raus und geh los. schnee, sonne, warm, und sooo ruhig! die ruhe hat sich schnell erklaert: war der trauerzug fuer die vor einer woche im feuer gestorbenen, weisz nicht, wieviel ihr da in dtld von mitgekriegt habt. vladivostok ist ein bisschen im schockzusatnd. es hat sich dann so ergeben, dass ich ganz bis zu aeroflot zu fuesz gegangen bin. die busse fuhren zwar irgendwann wieder, aber sie waren so rammelvoll und das wetter so schoen, dass ich da keine lust drauf hatte.
ab jetzt wird's erfolgreicher: flug wie gesagt reserviert mit aussischt auf was billigeres, anschlieszend von natascha in der internationalen abteilung (mit bus hin!) mein halbes stipendium ausgezahlt gekriegt. ejtzt schoen geduscht (heut morgen war kein kaltwasser, und das heiszwassser allein ist zu heisz. wenn es kein kaltwasser gibt, das heiszwasser ist angenehm und man bracuht das kaltwasser eigentlich nicht zum mischen, wenn letzteres funktioniert)und gleich zum training.


Krankenhaus

Nastja ist beim Aikido bei einer eigentlich total tollen Bewegung durch Eigen- und ihres Partners Verschulden ungkuecklich gefallen und hat Sternchen gesehen und den Kopf nicht richtig bewegen koennen. Das war gestern Abend.
Heute Nachmittag ruft sie mich an und fragt, ob ich zu Hause bin und sie vorbeikommen kann. Ich hatte zwar noch einige Sachen zu tun, war aber erstmal noch zu Hause. Sie kam vorbei und erzaehlte, dass sie von ihren Arbeitskollegen ins Krankenhaus gezwungen worden ist wegen ihres Halses. Die haben sie dahingefahren und dann da gelassen. Weil das Krankenhaus hier nebenan ist und die Schlange zwei Stunden, ist sie vorbeigekommen. Sie war so gut, ein offizielles Telefonat fuer mich zu erledigen (find ich ja shcon auf deutsch aetzend, von Russisch ganz zu schweigen), und dann war ich so gut, sie zum Krankenhaus zu begleiten und dort zu warten und ihre Sachen zu halten.

Krankenhaus in Russland muss man sich nicht vorstellen wie Krankenhaus in Deutschland. Ich hab ja damals schon von meinem AIDS-Test im 5-er-Jahre-Stil geschrieben. Hier war ich nicht mir in den Behandlungsraeumen, sondern hab im Flur eine Funktion als Kleiderstaender und Anrufbeantwortet erfuellt. Das halbe Gebaeude wird gerade renoviert, ueberall ist Staub und Dreck, Sitzmoeglichkeiten gibt es trotz einer beachtlichen Anzahl wartender Verletzter nur sehr wenige. Und die Haelfte von denen ist so mit weiszem Staub vom Renovieren versifft, dass sie zum Sitzen nicht taugen. Gut, das ist nicht ein Krankenhaus, wo Leute richtig liegen, aber trotzdem. Da wird geroentgt und gegipst, und was in den anderen Abteilungen ist, weisz ich nicht.

Nastja musste im Anschluss in ein weiter enferntes Krankenhaus, um sich wieder zurechtrenken zu lassen. Ich hab sie zu ihrer Arbeit begleitet, von wo aus ihre Kollegin sie mit dem Auto ins Krankenhaus gefahren hat. Auf meine Anfrage vor einigen Stunden hat Nastja gesagt, sie haben ihr beim Einrenken NICHT alles noch mal doppelt gebrochen, und ihr geht es soweit gut. Aber den gruenen guertel im Fruehling, den kann sie sich garantiert abschminken. Mindestens drei Wochen Halskrause, und danach ja auch erstmal Schonzeit.

So. Es ist gleich halb drei, und ich muss morgen um neun raus. Den Teil „Deutschlandfahne“ und weitere Anekdoten schreib ich die Tage.

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